ADHS, Hyperfokus und der Sympathikus

Ein bemerkenswertes Phänomen bei ADHS ist der sogenannte Hyperfokus, ein Zustand intensiver Konzentration, der sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. Zudem wird die Rolle des sympathischen Nervensystems (Sympathikus) bei ADHS untersucht, insbesondere im Hinblick auf die autonome Regulation und Stressreaktionen.

Hyperfokus bei ADHS

Definition und Auswirkungen

Hyperfokus ist ein Zustand intensiver Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe oder ein Objekt, der häufig bei Personen mit ADHS auftritt. Während dieser Zustand produktiv sein kann, führt er oft zu einer Vernachlässigung anderer Aufgaben und kann problematisch werden, wenn er zu exzessivem Verhalten wie Internetabhängigkeit führt (Ishii et al., 2023; Hupfeld et al., 2018).

Zusammenhang mit ADHS-Symptomen

Studien zeigen, dass Hyperfokus bei Erwachsenen mit hohen ADHS-Symptomen häufiger auftritt. Diese Personen berichten von intensiven Hyperfokus-Erfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen, was darauf hindeutet, dass Hyperfokus ein charakteristisches Merkmal von ADHS sein könnte (Hupfeld et al., 2018; Groen et al., 2020).

Sympathikus und autonome Regulation bei ADHS

Autonome Dysfunktion

Bei ADHS wurde eine atypische Funktion des autonomen Nervensystems (ANS) festgestellt, oft in Richtung einer Hypoerregung, insbesondere in Ruhephasen und bei Aufgaben, die eine Reaktionsregulation erfordern. Stimulanzien können die ANS-Aktivität erhöhen, was auf eine mögliche Modifizierbarkeit der ANS-Funktion bei ADHS hinweist (Bellato et al., 2019; Sekaninova et al., 2019).

Stressreaktionen

Kinder mit ADHS zeigen eine verminderte Herzfrequenzreaktivität nach Stress im Vergleich zu Kindern mit Angststörungen, was auf eine stärkere parasympathische als sympathische Aktivierung hindeutet (Lang et al., 2007). Zudem weisen Kinder mit ADHS eine Dysregulation des Stresssystems auf, was sich in veränderten Cortisol- und Alpha-Amylase-Profilen zeigt (Angeli et al., 2018).

Herausforderungen und zukünftige Forschungsrichtungen

Heterogenität von ADHS

Die Forschung zeigt, dass ADHS nicht nur klinisch, sondern auch in Bezug auf physiologische Indikatoren der Emotion und Regulation heterogen ist. Dies legt nahe, dass zukünftige Studien die unterschiedlichen physiologischen Reaktionen bei ADHS berücksichtigen sollten, um klinisch und ätiologisch unterschiedliche Gruppen zu identifizieren (Musser et al., 2013).

Mechanismen der autonomen Regulation

Die genauen Mechanismen, die der veränderten autonomen Regulation bei ADHS zugrunde liegen, sind noch unklar. Weitere Forschung könnte durch nichtinvasive Methoden wie Pupillometrie und Eye-Tracking neue Erkenntnisse über die neurobiologischen Pathomechanismen von ADHS liefern (Sekaninova et al., 2019).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hyperfokus ein bedeutendes Merkmal von ADHS ist, das sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. Gleichzeitig zeigt die Forschung, dass die autonome Regulation bei ADHS verändert ist, was auf eine komplexe Interaktion zwischen neurobiologischen und verhaltensbezogenen Faktoren hinweist. Zukünftige Studien sollten sich auf die detaillierte Untersuchung dieser Mechanismen konzentrieren, um ein besseres Verständnis und effektivere Behandlungsansätze zu entwickeln.

ADHS, Hyperfokus und der Sympathikus in der Forschung

Ishii, S., Takagi, S., Kobayashi, N., Jitoku, D., Sugihara, G., & Takahashi, H. (2023). Hyperfocus symptom and internet addiction in individuals with attention-deficit/hyperactivity disorder trait. Frontiers in Psychiatry, 14.

Bellato, A., Arora, I., Hollis, C., & Groom, M. (2019). Is autonomic nervous system function atypical in attention deficit hyperactivity disorder (ADHD)? A systematic review of the evidence. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 108, 182-206.

Angeli, E., Korpa, T., Johnson, E., Apostolakou, F., Papassotiriou, I., Chrousos, G., & Pervanidou, P. (2018). Salivary cortisol and alpha-amylase diurnal profiles and stress reactivity in children with Attention Deficit Hyperactivity Disorder. Psychoneuroendocrinology, 90, 174-181.

Lang, N., Tulen, J., Kallen, V., Rosbergen, B., Dieleman, G., & Ferdinand, R. (2007). Autonomic reactivity in clinically referred children attention-deficit/hyperactivity disorder versus anxiety disorder. European Child & Adolescent Psychiatry, 16, 71-78.

Musser, E., Galloway-Long, H., Frick, P., & Nigg, J. (2013). Emotion regulation and heterogeneity in attention-deficit/hyperactivity disorder.. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 52 2, 163-171.e2.

Hupfeld, K., Abagis, T., & Shah, P. (2018). Living “in the zone”: hyperfocus in adult ADHD. ADHD Attention Deficit and Hyperactivity Disorders, 11, 191-208.

Groen, Y., Priegnitz, U., Fuermaier, A., Tucha, L., Tucha, O., Aschenbrenner, S., Weisbrod, M., & Pimenta, M. (2020). Testing the relation between ADHD and hyperfocus experiences.. Research in developmental disabilities, 107, 103789.

Sekaninova, N., Mestanik, M., Mestanikova, A., Hamrakova, A., & Tonhajzerova, I. (2019). Novel approach to evaluate central autonomic regulation in attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD).. Physiological research.