ADHS, Hyperfokus und der Parasympathikus
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Störung, die durch Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist. Ein weniger bekanntes Phänomen im Zusammenhang mit ADHS ist der sogenannte „Hyperfokus“, bei dem Betroffene eine intensive Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe erleben. Gleichzeitig spielt das autonome Nervensystem, insbesondere der Parasympathikus, eine Rolle bei der Regulation von Emotionen und Aufmerksamkeit bei ADHS.
Hyperfokus bei ADHS
Hyperfokus ist ein Zustand intensiver Konzentration, der häufig bei Erwachsenen mit ADHS beobachtet wird. Diese Personen berichten von langanhaltenden Phasen fokussierter Aufmerksamkeit, die im Gegensatz zu ihrer allgemeinen Neigung zur Ablenkbarkeit stehen (Hupfeld et al., 2018). Studien zeigen, dass Hyperfokus bei Personen mit hohen ADHS-Symptomen häufiger auftritt, insbesondere in Bereichen wie Schule, Hobbys und Bildschirmzeit (Groen et al., 2020).
Parasympathikus und ADHS
Kinder mit ADHS zeigen oft eine parasympathische Übererregung im Vergleich zu Kontrollgruppen. Dies wird durch erhöhte Werte der Herzfrequenzvariabilität (HRV) und andere parasympathische Indikatoren gemessen (Negrao et al., 2010; Fluegge, 2016). Diese parasympathische Dominanz könnte ein angeborenes Merkmal von ADHS sein, das durch die Einnahme von Psychostimulanzien wie Methylphenidat korrigiert werden kann (Fluegge, 2016).
Die parasympathische Aktivität, gemessen durch die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA), zeigt bei Kindern mit ADHS eine erhöhte Reaktivität, was auf eine Dysregulation der Emotionen hinweist (Musser et al., 2013; Ward et al., 2015). Diese Dysregulation kann durch komorbide Störungen wie interne Störungen verstärkt werden (Leaberry et al., 2018).
Auswirkungen von Methylphenidat
Methylphenidat, ein häufig verwendetes Medikament zur Behandlung von ADHS, kann die parasympathische Dominanz bei ADHS-Patienten reduzieren und die sympathische Aktivität erhöhen, was zu einer Normalisierung des autonomen Gleichgewichts führt (Negrao et al., 2010; Fluegge, 2016). Allerdings kann es auch die normale Stressreaktion des autonomen Nervensystems unterdrücken, was sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die betroffenen Kinder haben kann (Negrao et al., 2010).
Emotionale Regulation und Autonomes Nervensystem
Die emotionale Regulation bei Kindern mit ADHS ist oft gestört, was sich in einer übermäßigen parasympathischen Aktivität zeigt. Diese Dysregulation kann durch elterliche Emotionen und Verhaltensweisen beeinflusst werden (Musser et al., 2018). Kinder mit ADHS zeigen eine erhöhte parasympathische Aktivität während emotionaler Aufgaben, was auf eine veränderte physiologische Funktion hinweist (Teplin et al., 2010).
ADHS ist mit einer komplexen Interaktion zwischen Hyperfokus, parasympathischer Dominanz und emotionaler Dysregulation verbunden. Die Behandlung mit Methylphenidat kann einige dieser Ungleichgewichte korrigieren, jedoch sind weitere Forschungen erforderlich, um die langfristigen Auswirkungen auf die physiologische und psychologische Gesundheit der Betroffenen zu verstehen.
ADHS, Hyperfokus und der Parasympathikus in der Wissenschaft
Negrao, B., Bipath, P., Van Der Westhuizen, D., & Viljoen, M. (2010). Autonomic Correlates at Rest and during Evoked Attention in Children with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder and Effects of Methylphenidate. Neuropsychobiology, 63, 82 – 91.
Fluegge, K. (2016). The effectiveness of psychostimulants in ADHD treatment: Reversing parasympathetic promoting environmental influences?. Journal of clinical epidemiology, 79, 170-171.
Musser, E., Galloway-Long, H., Frick, P., & Nigg, J. (2013). Emotion regulation and heterogeneity in attention-deficit/hyperactivity disorder.. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 52 2, 163-171.e2.
Ward, A., Alarcón, G., Nigg, J., & Musser, E. (2015). Variation in Parasympathetic Dysregulation Moderates Short-term Memory Problems in Childhood Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Journal of Abnormal Child Psychology, 43, 1573 – 1583.
Hupfeld, K., Abagis, T., & Shah, P. (2018). Living “in the zone”: hyperfocus in adult ADHD. ADHD Attention Deficit and Hyperactivity Disorders, 11, 191-208.
Groen, Y., Priegnitz, U., Fuermaier, A., Tucha, L., Tucha, O., Aschenbrenner, S., Weisbrod, M., & Pimenta, M. (2020). Testing the relation between ADHD and hyperfocus experiences.. Research in developmental disabilities, 107, 103789.
Leaberry, K., Rosen, P., Fogleman, N., Walerius, D., & Slaughter, K. (2018). Physiological Emotion Regulation in Children with ADHD with and without Comorbid Internalizing Disorders: a Preliminary Study. Journal of Psychopathology and Behavioral Assessment, 40, 452-464.
Musser, E., Lugo, Y., Ward, A., Tenenbaum, R., Morris, S., Brijmohan, N., & Martinez, J. (2018). Parent Emotion Expression and Autonomic-Linked Emotion Dysregulation in Childhood ADHD. Journal of Psychopathology and Behavioral Assessment, 40, 593 – 605.
Teplin, S., Murray, K., Nyp, S., & Wassom, M. (2010). Journal Article Reviews. Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics, 32, 692-696.