ADHS und Aggressivität

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindesalter und wird oft von aggressivem Verhalten begleitet. Diese Aggression kann in verschiedenen Formen auftreten und hat erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung und das soziale Umfeld der betroffenen Kinder.

Formen der Aggression bei ADHS

Impulsive Aggression

Diese Form der Aggression ist bei Kindern mit ADHS besonders häufig und wird als bedeutender Faktor für ungünstige Entwicklungsverläufe angesehen. Sie ist oft mit einer Vielzahl von psychosozialen Problemen verbunden, einschließlich Delinquenz und antisozialem Verhalten im Erwachsenenalter (Saylor & Amann, 2016; Marques et al., 2024).

Reaktive und Proaktive Aggression

Studien zeigen, dass hyperaktive/impulsive Symptome von ADHS vor allem mit reaktiver Aggression verbunden sind, während proaktive Aggression, wie das Dominieren anderer Kinder, ebenfalls auftreten kann (Speyer et al., 2021; Connor et al., 2010).

Mechanismen und Einflussfaktoren

Emotionale Dysregulation

Emotionale Instabilität spielt eine zentrale Rolle bei der Verbindung zwischen ADHS und aggressivem Verhalten. Sie vermittelt die Beziehung zwischen Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle und aggressivem Verhalten (Marques et al., 2024).

Neurobiologische Faktoren

Anomalien im fronto-accumbalen Schaltkreis, der für die Belohnungsverarbeitung wichtig ist, wurden mit erhöhter Aggression bei Kindern mit ADHS in Verbindung gebracht (Cha et al., 2015).

Kognitive Beeinträchtigungen: Defizite in der exekutiven Funktion, wie verminderte moralische Urteilsfähigkeit und eingeschränkte Empathiefähigkeit, tragen zur Entstehung und Aufrechterhaltung von aggressivem Verhalten bei (McKay & Halperin, 2001).

Behandlung und Herausforderungen

Medikamentöse Therapie

Stimulanzien zeigen eine signifikante Wirkung auf aggressionsbezogene Verhaltensweisen bei ADHS, ähnlich wie bei den Kernsymptomen der Störung. Allerdings kann die Wirksamkeit bei komorbiden Störungen wie Verhaltensstörungen abnehmen (Connor et al., 2002).

Interventionen zur Emotionsregulation

Da emotionale Dysregulation eine Schlüsselrolle spielt, könnten Interventionen, die auf die Verbesserung der Emotionsregulationsfähigkeiten abzielen, hilfreich sein, um aggressives Verhalten zu reduzieren (Marques et al., 2024).

Zukünftige Forschungsrichtungen

Langzeitstudien

Es besteht Bedarf an weiteren Studien, um die langfristigen Auswirkungen von Aggression bei ADHS besser zu verstehen und effektive Behandlungsstrategien zu entwickeln (King & Waschbusch, 2010).

Mechanismen der Aggression

Multidisziplinäre Forschung sollte sich auf die Untersuchung der zugrunde liegenden Mechanismen der Aggression bei ADHS konzentrieren, um gezielte Behandlungsansätze zu entwickeln (King & Waschbusch, 2010).

Zusammenfassend ist Aggression ein häufiges und komplexes Merkmal von ADHS, das durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Ein besseres Verständnis dieser Faktoren und die Entwicklung gezielter Behandlungsstrategien sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Aggression bei ADHS in wissenschaftlichen Studien

Saylor, K., & Amann, B. (2016). Impulsive Aggression as a Comorbidity of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder in Children and Adolescents. Journal of Child and Adolescent Psychopharmacology, 26, 19 – 25. https://doi.org/10.1089/cap.2015.0126

Speyer, L., Eisner, M., Ribeaud, D., Luciano, M., Auyeung, B., & Murray, A. (2021). A symptom level perspective on reactive and proactive aggressive behaviours and ADHD symptoms in childhood.. Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines. https://doi.org/10.31234/OSF.IO/MBVN4

Connor, D., Glatt, S., Lopez, I., Jackson, D., & Melloni, R. (2002). Psychopharmacology and aggression. I: A meta-analysis of stimulant effects on overt/covert aggression-related behaviors in ADHD.. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 41 3, 253-61. https://doi.org/10.1097/00004583-200203000-00004

Cha, J., Fekete, T., Siciliano, F., Biezonski, D., Greenhill, L., Pliszka, S., Blader, J., Roy, A., Leibenluft, E., & Posner, J. (2015). Neural Correlates of Aggression in Medication-Naive Children with ADHD: Multivariate Analysis of Morphometry and Tractography. Neuropsychopharmacology, 40, 1717-1725. https://doi.org/10.1038/npp.2015.18

McKay, K., & Halperin, J. (2001). ADHD, Aggression, and Antisocial Behavior across the Lifespan. Annals of the New York Academy of Sciences, 931. https://doi.org/10.1111/j.1749-6632.2001.tb05774.x

King, S., & Waschbusch, D. (2010). Aggression in children with attention-deficit/hyperactivity disorder. Expert Review of Neurotherapeutics, 10, 1581 – 1594. https://doi.org/10.1586/ern.10.146

Marques, S., Correia-De-Sá, T., Guardiano, M., Sampaio-Maia, B., & Ferreira-Gomes, J. (2024). Emotion dysregulation and depressive symptoms mediate the association between inhibitory control difficulties and aggressive behaviour in children with ADHD.. Frontiers in psychiatry, 15, 1329401. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1329401

Connor, D., Chartier, K., Preen, E., & Kaplan, R. (2010). Impulsive aggression in attention-deficit/hyperactivity disorder: symptom severity, co-morbidity, and attention-deficit/hyperactivity disorder subtype.. Journal of child and adolescent psychopharmacology, 20 2, 119-26. https://doi.org/10.1089/cap.2009.0076