Neuroanatomie bei ADHS
Die neuroanatomischen Grundlagen von ADHS sind Gegenstand intensiver Forschung, um die strukturellen und funktionellen Unterschiede im Gehirn von Betroffenen zu verstehen.
Strukturelle Unterschiede im Gehirn bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS
Volumenreduktionen: Studien zeigen, dass bei Personen mit ADHS eine globale Reduktion des Gehirnvolumens im Vergleich zu Kontrollpersonen vorliegt. Besonders betroffen sind die cerebellären Regionen, das Splenium des Corpus Callosum, das gesamte und das rechte zerebrale Volumen sowie der rechte Nucleus caudatus (Émond et al., 2009; Valera et al., 2007).
Betroffene Hirnregionen: Zu den häufig untersuchten und betroffenen Regionen gehören die präfrontale Kortikalis, die Basalganglien (insbesondere das Striatum), der dorsale anteriore cinguläre Kortex und das Kleinhirn. Diese Regionen zeigen sowohl strukturelle als auch funktionelle Anomalien (Émond et al., 2009; Valera et al., 2007; De Melo et al., 2018).
Funktionelle Unterschiede
Hypoaktivierung: Funktionelle Bildgebungsstudien haben eine Hypoaktivierung in der dorsalen anterioren cingulären Kortikalis, der frontalen Kortikalis und den Basalganglien bei ADHS-Patienten festgestellt. Diese Hypoaktivierung wird häufig in Aufgaben zur motorischen Hemmung und Aufmerksamkeit beobachtet, wie z.B. in Go/No-Go- und Stop-Signal-Aufgaben (Émond et al., 2009; De Melo et al., 2018).
Netzwerkbeteiligung: Anomalien in der kortikalen Dicke sind in funktionellen Netzwerken wie dem Default-Mode-Netzwerk und dem ventralen Aufmerksamkeitsnetzwerk bei ADHS-Patienten angereichert. Diese Netzwerke sind auch in funktionellen MRT-Ergebnissen stark vertreten (Park et al., 2018).
Neuroanatomische Netzwerke
Frontostriatales Netzwerk: Dieses Netzwerk, das die laterale präfrontale Kortikalis, den dorsalen anterioren cingulären Kortex, den Nucleus caudatus und das Putamen umfasst, wird als zentral für die Pathophysiologie von ADHS angesehen (Émond et al., 2009; Stefanatos & Wasserstein, 2001).
Rechte Hemisphäre: Es gibt Hinweise auf eine differenzierte Beteiligung der rechten Hemisphäre, insbesondere in den frontalen und parietalen Bereichen, die mit subkortikalen Strukturen verbunden sind. Diese Regionen sind für die Verhaltensregulation und Aufmerksamkeit spezialisiert (Stefanatos & Wasserstein, 2001).
Herausforderungen und zukünftige Forschungsrichtungen
Diagnostische Validität: Die diagnostischen Kategorien von ADHS, Autismus-Spektrum-Störungen und Zwangsstörungen könnten nicht klar abgegrenzte Entitäten darstellen, was die Notwendigkeit einer datengetriebenen, diagnoseagnostischen Herangehensweise zur Identifizierung homogener Subgruppen unterstreicht (Kushki et al., 2019).
Langzeitstudien: Langzeitstudien sind vielversprechend, um Unterschiede im Entwicklungsverlauf von ADHS zu klären, insbesondere bei Fällen, die im Erwachsenenalter fortbestehen oder sich zurückbilden (Friedman & Rapoport, 2015).
Zusammenfassend zeigen die neuroanatomischen Studien zu ADHS eine komplexe Beteiligung mehrerer Hirnregionen und Netzwerke, die sowohl strukturelle als auch funktionelle Anomalien aufweisen. Diese Erkenntnisse bieten wertvolle Einblicke in die Pathophysiologie von ADHS und weisen auf die Notwendigkeit weiterer Forschung hin, um die diagnostischen und therapeutischen Ansätze zu verbessern.
Studien zur Neuroanatomie bei ADHS
Émond, V., Joyal, C., & Poissant, H. (2009). [Structural and functional neuroanatomy of attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD)].. L’Encephale, 35 2, 107-14. https://doi.org/10.1016/j.encep.2008.01.005
Park, M., Raznahan, A., Shaw, P., Gogtay, N., Lerch, J., & Chakravarty, M. (2018). Neuroanatomical phenotypes in mental illness: identifying convergent and divergent cortical phenotypes across autism, ADHD and schizophrenia.. Journal of psychiatry & neuroscience : JPN, 43 2, 170094. https://doi.org/10.1503/jpn.170094
Valera, E., Faraone, S., Murray, K., & Seidman, L. (2007). Meta-Analysis of Structural Imaging Findings in Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Biological Psychiatry, 61, 1361-1369. https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2006.06.011
Friedman, L., & Rapoport, J. (2015). Brain development in ADHD. Current Opinion in Neurobiology, 30, 106-111. https://doi.org/10.1016/j.conb.2014.11.007
Stefanatos, G., & Wasserstein, J. (2001). Attention Deficit/Hyperactivity Disorder as a Right Hemisphere Syndrome. Annals of the New York Academy of Sciences, 931. https://doi.org/10.1111/j.1749-6632.2001.tb05779.x
Kushki, A., Anagnostou, E., Hammill, C., Duez, P., Brian, J., Iaboni, A., Schachar, R., Crosbie, J., Arnold, P., & Lerch, J. (2019). Examining overlap and homogeneity in ASD, ADHD, and OCD: a data-driven, diagnosis-agnostic approach. Translational Psychiatry, 9. https://doi.org/10.1038/s41398-019-0631-2
De Melo, B., Trigueiro, M., & Rodrigues, P. (2018). Systematic overview of neuroanatomical differences in ADHD: Definitive evidence. Developmental Neuropsychology, 43, 52 – 68. https://doi.org/10.1080/87565641.2017.1414821